Satellit „Heinrich Hertz“: Ein überirdisches Labor aus Deutschland (2024)

Gestartet wurde "Heinrich Hertz" am 5. Juli 2023. Damit brach für Deutschland eine neue Ära an. Nach über 20 Jahren Abstinenz wurde wieder ein deutscher Kommunikationssatellit ins All geschickt und in Betrieb genommen. Der davor letze, DFS-Kopernikus 3, damals von der Deutschen Bundespost betrieben, war im Jahr 2002 an das griechische Unternehmen Hellas Sat vermietet worden. Während H2S (Heinrich-Hertz-Satellit), so auch die interne Bezeichnung des neuen Satelliten, neue Impulse für Deutschland im Bereich der Telekommunikation und Raumfahrtindustrie bringen soll, ging mit diesem Start zugleich eine andere Ära zu Ende. Es war der letzte Einsatz einer Ariane 5. Zusammen mit "Heinrich Hertz" wurde übrigens noch ein französischer Militärsatellit (Syracuse 4B) in den geostationären Orbit gebracht.

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ESA/CNES/Arianespace/Optique video du CSG-P._Piron

Die letzte Ariane 5 brachte „Heinrich Hertz“ am 5. Juli 2023 von Kourou aus ins All.

Ein deutsches Projekt

Das Projekt H2S wird im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter Beteiligung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) von der Deutschen Raumfahrtagentur des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) durchgeführt. Neben seiner Hauptaufgabe, der Realisierung ziviler Experimente, dient der Satellit auch der Bundeswehr, indem satellitengestützte Übertragungskapazitäten bereitgestellt werden. Die zivilen und militärischen Nutzlasten werden dabei völlig unabhängig voneinander betrieben, wobei jeder Bereich seine eigene Bodenstation hat. Gebaut wurde H2S in Bremen bei der OHB System AG, neben Airbus der zweite große deutsche Player im Raumfahrtgeschäft. Seit März 2024 erfolgt nach der Inbetriebnahme die Durchführung der experimentellen Arbeiten.

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Deutsche Raumfahrtagentur im DLR

Die Systeme an Bord können im laufenden Betrieb umprogrammiert werden.

Leistungsfähige Testplattform

Der innovative Satellit kommt spät, aber noch nicht zu spät. Seit Jahren erfährt die Kommunikationstechnik und die damit verbundene IT-Technik eine stürmische Entwicklung. Es werden neue Frequenzen erschlossen, Konstellationen mit Tausenden Satelliten in mittleren Umlaufbahnen platziert und die Übertragung gigantischer Datenmengen in kürzester Zeit ist zu gewährleisten. Das erfordert auch neue Technologien für Satelliten im geostationären Orbit. Um da nicht den Anschluss zu verlieren und auch künftig der Kommunikationsindustrie die modernsten Technologien zur Verfügung zu stellen, wurde mit "Heinrich Hertz" eine leistungsfähige Testplattform geschaffen, auf der die von deutschen Instituten und Unternehmen neu entwickelten Geräte und Technologien im Weltraum erprobt werden können. Besonderes Augenmerk wurde auf eine hohe Flexibilität durch das mögliche Umprogrammieren der Systeme an Bord gelegt. Denn anders als die kleinen, schnell austauschbaren Raumflugkörper in Megakonstellationen, wie sie beispielsweise SpaceX mit Starlink aufbaut, arbeiten die komplexen Satelliten in der geostationären Bahn mindestens 15 Jahre lang. In dieser Zeit ändern sich aber auch die Anforderungen der Nutzer. Um diesen gerecht zu werden, müssen künftig Hard- und Software an Bord so angepasst werden können, dass jeder Kunde ein maßgeschneidertes Angebot bekommt.

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Jena-Optronik GmbH

Zwei ASTRO-APS-Sternensensoren von Jena-Optronik ermöglichen „Heinrich Hertz“ die Lageermittlung.

Neue Schlüsselkompetenzen

Der Satellit wurde nach dem berühmten deutschen Physiker Heinrich Hertz, einem Pionier der Funktechnik, benannt. Er basiert auf der SmallGEO-Plattform von OHB, die für kleinere Satelliten im geostationären Orbit ausgelegt ist. Sie wurde im Rahmen des ARTES11-Programms (Advanced Research in Telecommunications Systems) der ESA entwickelt, um so die Systemkompetenz durch den Bau eigener Satelliten und Nutzlasten auf dem Gebiet der Satellitenkommunikation in Deutschland und Europa auszubauen. Verantwortlich für die Auslegung und Entwicklung der Nutzlast (Repeater und Antennen) war Tesat-Spacecom. Die Integration der gesamten Nutzlast wurde in zwei Schritten durchgeführt. Die Integration des Repeaters fand bei Tesat-Spacecom statt und wurde dann bei OHB mit der Satellitenplattform integriert. Die Antennen wurden direkt bei OHB auf die Satellitenplattform gebracht und dann mit dem Repeater zusammengeschaltet. Tesat steuerte auch wichtige Komponenten bei, wie Wanderfeldröhren, die empfangene Signale verstärken und zum Boden senden, Mikrowellenleistungsmodule, neuartige flexible Filter (FlexINET und FlexOMUX), den militärischen Repeater und andere Bauteile. Daneben sind rund 40 weitere Partner an dem Projekt beteiligt. Dazu gehört auch die Jena-Optronik GmbH, deren Sternsensor ASTRO APS die Lageermittlung des Satelliten im Raum übernimmt.

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Deutsche Raumfahrtagentur im DLR

Bei HPS in München wurde die faltbare ILKA-Bodenantenne mit „Heinrich Hertz“ erprobt.

Wissenschaftliche Experimente und Tests

Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme werden im Weiteren etwa 20 wissenschaftliche und technische Experimente durchgeführt. Das erste Experiment im März diente dem Test des mobilen Systems ILKA. Dabei handelt es sich um eine leichte, tragbare Ku-Band-Antenne der Münchner HPS GmbH, die für den Einsatz bei mobilen Extremsituationen wie Spezialeinsätzen oder bei Naturkatastrophen ausgelegt ist und damit Funkverbindungen unter widrigsten Bedingungen sichern soll. Ein neuer Antennenreflektor aus Carbon, ebenfalls von der HPS GmbH, in Anlehnung an den Satelliten "H2KAR" genannt, soll den Weg für künftige leichtere und temperaturstabilere Antennen ebnen. Im Auftrag des DLR entwickelten Institute im Forschungsvorhaben "Geostationäres Datenrelais für LEO-Satelliten" (GeReLEO) eine Multibeam-Antenne für Intersatellite-Links im Ka-Band, die Daten von niedrigfliegenden Satelliten als Relais zur Erde übertragen wird. Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) hat mit dem FOBP (Fraunhofer On Board Prozessor) einen Bordcomputer entwickelt, der von der Erde aus programmierbar ist. Er wurde bei der Astro- und Feinwerktechnik Adlershof GmbH gebaut. Eines von vielen Experimenten des FOBP untersucht, wie das irdische 5-G-Mobilfunknetz über Satellit angebunden werden kann, um so auch entlegene Regionen mit Mobilfunk abzudecken. Ein weiterer flexibler Prozessor kommt mit dem NEXT-Onboard-Prozessor vom Berliner Unternehmen IQ Technologies for Earth and Space. Für die Lagekontrolle des dreiachsenstabilisierten Satelliten in Nord-Südrichtung werden elektrische Triebwerke genutzt, darunter mit HEMP-T 3050 ein experimentelles Ionenstrahltriebwerk, das effizienter als bisherige arbeiten soll. Aufgrund der hohen Effizienz elektrischer Antriebe kann Treibstoff gespart werden, was der Nutzlastkapazität zugutekommt. Das ist nur eine Auswahl der vielfältigen Experimente und Tests, die mit den Nutzlasten von H2S durchgeführt werden. Bleibt zu hoffen, dass die Ergebnisse auch in marktfähige Produkte umgesetzt werden und "Heinrich Hertz" nicht eine Eintagsfliege bleibt, weil spätere Regierungen wieder andere Prioritäten setzen.

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DLR

Empfangsantennen am DLR-Standort Neustrelitz.

Der Heinrich-Hertz-Satellit

Betreiber: DLR
Hauptauftragnehmer: OHB System AG Bremen
Startdatum: 5. Juli 2023
Startort: Kourou (Französisch-Guayana)
Rakete: Ariane 5 ECA+
Ziel: geostationärer Orbit; bei 0,5 Grad Ost
Geplanter Betrieb: 15 Jahre
Bussystem: SmallGeo-Plattform von OHB, dreiachsenstabilisiert
Startmasse: 3450 kg
Treibstoff: 1509 kg Zweistoffsystem Monomethylhydrazin MMH/MON-1 (1% Stickstoffmonoxid (NO) in Distickstofftetroxid (N2O4)); 159 kg Xenon für elektrische Antriebe
Nutzlast: 435 kg
Chemisches Antriebssystem: ArianeGroup Lampoldshausen; Apogäumsmotor 400 N; für Ost-West-Lagekontrolle zwölf 10 N-Antriebe
Elektrische Antriebe: für Nord-Süd-Lagekontrolle; 2 Stück HEMP-T 3050 (High Efficiency Multi Stage Plasma); 44 mN; spez. Impuls 2400 s; Thales Electronic Systems GmbH Ulm; 2 Stück Halleffekttriebwerke SPT100; 70 mN; spez. Impuls 1500 s; von Fakel (Russland)
Abmessungen: mit ausgeklappten Antennen 4,6 m hoch; ca. 6 m breit; mit ausgeklappten Solarzellenflächen ca. 22 m lang
Elektrische Leistung: Missionsbeginn 6,6 kW; Missionsende 3,7 kW
Nutzlasten (Auswahl): FOBP – Bordprozessor des Fraunhofer-Instituts IIS Erlangen; NEXT-Onboard-Prozessor der IQ Technologies for Earth and Space GmbH Berlin; Bereich IQ Spacecom; acht schwenkbare Antennen für verschiedene Aufgaben, davon vier für wissenschaftlich-technische Experimente, darunter die Antenne H2KAR aus Carbon, ILKA (Integrierte entfaltbare Leichtbau Manpack Komplett-Antenne) und die auf verschiedene Empfangspfade umschaltbare GeReLEO-SMART; militärischer Repeater
Bodensegment: Hauptkontrollzentrum Bonn; Referenzkontrollzentrum Bochum; Empfangs- und Sendestationen Hürth (Köln) und Neustrelitz; Militärische Missionskontrolle Rheinbach

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